"Alles dies ist nichts!“ –
Immer noch schmerzhaft,
Das zu erfahren.
Doch wenn du nicht widerstehst,
Dich vielmehr anvertraust
Dem Sog in die Tiefe,
Übermächtig und schwarz,
Fasst du federnden Fußes
Neuen Stand,
Fest auf dem Bodenlosen,
Findest dich,
Tränen des Glücks auf den Wangen,
Findest dich wieder,
Dich und hellichten Tag.
„Alles dies ist dein!“ –
Nicht ist gemeint, dass
Dir der Versucher
Dir alle Reiche der Welt
Anbietet zum Besitz –
Der Weise, so lehrt doch
Lao-zi, will die Welt
Schlechterdings nicht besitzen!
Nein, für dich
Ist, weil aus dir entsprungen,
Weltweithin
Alles Gepränge der Dinge
Deins, du in ihnen,
Alle Dinge in dir.
(2000)
Wieder geht es um den Doppelaspekt der Einübung ins Kôan MU: hier der Absturz ins Bodenlose und dort die Rückkehr in einen fortan gefestigten hellichten Tag.
„Alles dies ist nichts!“ – diesen Satz hat zuvor längst ein anderer formuliert, und zwar Hugo von Hofmannsthal in seinem schwermütigen Gedicht Die Sehnsucht des alten Mannes nach dem Sommer. – Das andere Zitat, „Alles dies ist Dein!“, ist leichter als solches erkennbar: Es gehört in die Versuchungen Christi, wo der Diabolos, der ‚Verleumder‘ Gottes – ursprünglich (und zwar in der antiken Gnosis) das erste und höchste Geschöpf Gottes, das abtrünnig wird und sich zum Herrn der Welt aufschwingt – den Sohn Gottes damit versucht, dass er ihm die Weltherrschaft anbietet, ihn also verlocken will, genauso ein Abtrünniger zu werden wie er selbst. – Lao-zi warnt im Dao-De-Jing wiederholt davor, die Welt besitzen zu wollen: ‚Diejenigen, die festhalten, verlieren das, was sie festhalten; deshalb der Weise: Er hält nicht fest und deshalb verliert er nicht.‘